Triest - Habsburgs Glanz trifft Italienità

Von Andreas Maar |11.11.2023

Triest ist eine eigenartige Stadt voller Widersprüche, ein Schmelztiegel. Oder, anders formuliert: "Triest ist Wien am Meer", so und so ähnlich habe ich es bei meinen Vorbereitungen für diese Städtereise des Öfteren gelesen. Vorsichtig muss man mit derlei Vergleichen ja immer sein. Aber nun, nachdem ich die Stadt in einer Woche doch etwas kennengelernt habe, muss ich gestehen, dass sich dieser Vergleich nicht nur bestätigt hat, sondern sich regelrecht aufdrängt.

Denn so richtig italienisch wirkt Triest, einst stolze und immens wichtiger Freihandelshafen der Habsburgermonarchie, nicht. Trotz des guten Jahrhunderts, das die Stadt nun schon nicht mehr zu Österreich gehört. Triest verströmt kaum Mediterranes, dafür ist sie zu spröde. Sie ist eine mitteleuropäische Stadt. Nicht nur die Architektur des Klassizismus und des Jugendstils, vor allem aber des allgegenwärtigen Historismus der Kaiserzeit und die Kaffeehauskultur lassen bei Stadtrundgängen oft den Eindruck entstehen, hier hat man Wien an die Adria verschoben. Denn wie Wien ist die Stadt zu groß, zu prächtig, zu pompös und zu stolz für die Region, die sie heute zu repräsentieren hat. Zu bedeutungsschwanger zeigen sich die beiden Städte, zu hoch die Häuser, zu breit die Straßen, zu groß die Plätze, zu glanzvoll und grandios-imperial im Antlitz, noch immer einer Zeit verpflichtet, in der man Geschichte geschrieben, ein Reich zu repräsentieren hatte. Wien war der Mittelpunkt eines gigantischen Vielvölkerstaates, Triest die zugehörige "Meer-Metropole". Dementsprechend erhielten sie im Lauf der Zeit ihre Gesichter. Mit Ende des Ersten Weltkriegs veränderte sich für die beiden Schwester-Städte alles. Österreich schrumpfte zu einem Torso, Triest kam zu Italien und war fortan eine Hafenstadt unter vielen. Beide versanken sie von heute auf morgen in Bedeutungslosigkeit. Die stolzen Bauten blieben und spiegeln nach wie vor etwas wider, was nicht mehr ist. Nostalgie? Sicherlich, auch die wird hier und dort bewusst betrieben, denn der Mythos Habsburg verkauft sich schließlich auch blendend. Es ist aber eher eine gewisse Melancholie, die in beiden Städten in der Luft liegt - und trotz des großteils vorbildlich renovierten Stadtbildes ein Hauch von Morbidezza. Ich liebe solche Städte. Venedig gehört ebenfalls zu dieser Kategorie, auch Florenz oder Lissabon. Apropos Venedig: So immens der Einfluss der Serenissima auch war, das stolze Triest war - man kann es kaum glauben - trotz der Nähe zur Lagune nie venezianisch. Schon im 14. Jh. hatte es sich den Habsburgern an den Hals geworfen, um vom großen Nachbarn nicht vereinnahmt zu werden. Alle diese Städte also haben ihre große Zeit längst hinter sich, halten aber an ihrer alten Grandezza fest, zelebrieren sie regelrecht. Triest gehörte zwischen 1918 und 1954 fünfmal je zu anderen Staaten. Aufgrund seiner Lage und Geschichte muss Triest also ein Schmelztiegel sein, ein Gemisch von Kulturen und Identitäten. Zehn Kiometer weiter beginnt Slowenien und rund 50 sind jeweils Kroatien und Österreich entfernt. Es kommen zu den mitteleuropäischen also auch noch jede Menge osteuropäische Einflüsse hinzu, die italienischen natürlich nicht zu vergessen. Sie stehen nebeneinander, begegnen, überlagern sich. Literaten, Künstler und Poeten hat dieser Umstand seit jeher wie magisch angezogen. Wen wundert es. Auch ein großer Unterschied zu anderen italienischen Städten: In Triest sind es nicht weltbekannte Sehenswürdigkeiten, einzelne Museen oder Gebäude, die die Stadt ausmachen. Es ist hier mehr das Flair, das "Gesamtpaket" dieses Gemisches zwischen Strudel und Pasta, zwischen Karstlandschaft und Meer, zwischen Handel und Kultur, zwischen Zentrum und Peripherie, ein Gesamtpaket des Übergangs, geschichtlich, kulturell, geografisch: Im gültigsten Fall also eine Stadt mit k+k-Seele, dessen Begriff ja ohnehin alles einschließt, vermischt und vereint. Triest ist daher aber vielleicht auch eine Stadt, so erschien es mir, deren Identität aus einer gewissen Identitätslosigleit besteht.

Wer dem Lärm der Großstadt entfliehen möchte, hat viele Möglichkeiten: Da ist Schloss Duino, in dem Rilke seine "Duineser Elegien" schrieb (ein schöner Spazierweg über der Steilküste. der am Schloss beginnt, ist nach ihm benannt). Ungleich berühmter:  Miramare, das weiße  Märchenschloss von Maximilian, unglücklicher Kaiser von Mexico und seiner Frau Charlotte mit prächtigem Park - und wunderbar per Schiff von Trist aus zu erreichen. Ebenso per Boot ansteuern kann man das kleine Hafendorf Muggia unweit der slowenischen Grenze . Und besonders charmant fand ich den Tagesausflug nach Piran, Slowenien, einer wahren Altstadt-Perle an der Adria, in dem man locker einen Tag verbummeln kann.


Fazit

Mein Tipp: Buchen Sie kein Frühstück zu Ihrem Hotel dazu. Die Stadt besitzt noch immer dankenswerterweise einige historische Kaffeehäuser, die sich den alten Stil bewahrt haben, wie das Tommaseo oder das Antico Caffè San Marco. Wir haben jeden Morgen ein anderes ausprobiert. Ein famoser Start in den Tag ...


Herzlichst,
ihr Andreas Maar

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