Tunesien - Mittelmeer und mehr

Von Klaus Spohr |21.06.2010

Viele Urlauber lassen sich gern bereits beim Wort „Tunesien“ bezaubern. Fremdartigkeit und Exotik verbindet der Tourist mit diesem Reiseziel, vielleicht sogar einen Hauch von ‘Scheherezade’. Manche aber bevorzugen die herrlichen Sandstrände, das Baden im Meer und natürlich die dazu gehörende Bräune. Wer aber Land und Leute kennenlernen will, kann sich sicher sein : Tunesien bietet Mittelmeer und mehr! Ganz unbedarft und relativ unbefriedigend vorbereitet habe ich die Reise in die mir völlig fremden Gefilde angetreten. Wie aber in fast jedem Hotel bietet sich dem Touristen die Möglichkeit, aus dem alltäglichen Ferientrubel auszuscheiden: Touren ins Landesinnere, die man im klimatisierten Bus (mit Reiseleiter!) oder auch im gemieteten Jeep unternehmen kann. Gegenwart und Vergangenheit - keine Gegensätze Von Sousse aus - der drittgrößten Stadt Tunesiens - fahren wir Richtung Süden. Man ist erstaunt, wenn man kurz außerhalb dieser Großstadt auf Brunnen trifft, die bereits am frühen Morgen von Einheimischen umringt sind, um sich Wasser zu holen. Mit Packeseln und Wasserbehältern füllt man den Tages- oder Wochen-bedarf ab; denn im (Gegensatz zu uns verwöhnten Europäern) werden nur 70 % der Bevölkerung durch moderne Wasserzuleitungen versorgt. Links und rechts wird die Straße, die übrigens G.P. (grand parcour) genannt wird, weil sie von Karthago bis nach El Djem führt, von Oliven- und Eukalyptusbäumen gesäumt. Wunderschön heben sich die grünen Bäume vor dem blauen Himmel ab. Noch eine knappe halbe Stunde, dann sind wir in El Djem. Dort steht beeindruckend und pompös das gewaltige Amphitheater, das besser erhalten zu sein scheint als das Colosseum in Rom. Die Sonne steht in rotem Licht und bescheint den gold leuchtenden kalkfreien Sandstein des Amphitheaters; es raubt uns fast den Atem, so schön ist der grandiose Anblick. Im 3. Jhd. n. Chr. wurde das Amphitheater durch den römischen Kaiser gebaut. Dort fanden hauptsächlich Gladiatorenkämpfe statt. Doch nicht nur Gladiatoren behaupteten sich gegen Raubtiere (wie Löwen, Wildschweine usw.), sondern auch verurteilte Verbrecher und Christen, die aber meist zur Belustigung der Zuschauer ihr Leben ließen. Übrigens fanden dort 30.000 Menschen Platz. Heute wird das Amphitheater als Ort der Muße für Konzerte sehr geschätzt. Bald erreichen wir Sfax, die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie ist die Hauptstadt der Industrie Tunesiens. Durch die damit verbundene Verschmutzung des Meeres ist das Baden nicht mehr möglich. Schwefel- und Phosphatdämpfe belasten die Luft zunehmend. Bereits 10 km vor Eintritt in die Stadt beißt der Smoggeruch in der Nase. Doch wir werden bestens belohnt, als wir Sfax hinter uns lassen. Südlich dieses Industriegebietes wird die Landschaft karger, herber, hügelig. Wir erreichen bei strahlendem Sonnenschein die beeindruckende Berglandschaft M a t m a . Der Berg Matma selber erstreckt sich ca. 50 km weit vom Mittelmeer bis ins Landesinnere: es zeigt sich uns eine Mondlandschaft mit kleinen Kratern, größeren Felsriffen; die Vegetation ist spärlich: Wüstengras, Palmen und kleinere Olivenbäume bilden grüne Farbtupfer. Diese futuristisch anmutende Landschaft diente als Kulisse für den Bestseller-Film „Krieg der Sterne“. Doch nicht futuristisch, sondern genau gegenteilig zeigen sich uns die dort lebenden Berber: die Menschen hausen in Höhlen, die bereits 700 - 1000 Jahre alt sind. Bei Temperaturen im Sommer von 45°C bieten sie aber einen besseren Schutz als Steinhäuser; sogar in den Wintermonaten halten sie, bei den geringen Möglichkeiten das Domizil zu heizen, recht warm. Die Berber, die als erste diese Gegend besiedelten, vererbten die Höhlen an ihre ältesten Söhne, so daß sie heute noch gut erhalten und funktionsfähig sind. Wir besuchen das in dieser Bergregion bekannte Dorf M a h a t m a und fanden sogar bei einer äußerst gastfreundlichen Berberfamilie Einlaß: die scheinbar der Vergangenheit angehörenden - ja eigentlich archaischen - Wohnverhältnisse dieser Landbevölkerung sind noch gegenwärtig ! „Wüste“ bedeutet nicht nur „Sand“ Unser Weg führt uns weiter in die Steinwüste über G a b e s, die einzige Oase Nordafrikas, die direkt am Mittelmeer liegt. Neben wunderschönen Palmen finden sich dort Mandarinenbäumchen, Bananenstauden und natürlich das viel beliebte Färbemittel ‘Henna’. Wer Lust hat, kann sich mit einer Kutsche durch den ‘Garten’ Gabes fahren lassen oder sich in den engen Marktgassen verlustieren, wo fremdartige Gerüche den Sinn angenehm betäuben. Außerhalb dieser Oase begegnet uns die Herbheit der Steinwüste, R e g genannt. Hyänen, Schlangen, Skorpione, Wölfe, Varane und Leguane sind Tiere, die hier noch zu finden sind. In den Oasen gibt es außerdem Salamander und leider auch Ratten. Schließlich darf man das Kamel nicht vergessen, wichtigstes Haustier der Nomaden. Als die Sonne untergeht, zeigt die Steinwüste ihr schönstes Gesicht: warme Rottöne geben der Region fast eine liebliche Nuance. Südlich der Steinwüste beginnt die S a n d w ü s t e, die zweite der drei Wüstenformen. Im Dunkeln erreichen wir D o u z , eine Oase mit zugehörigem Dorf, das aber immerhin 15.000 Einwohner zählt. Douz ist das „Tor zu Sahara“, das wir erwartungsvoll noch am Abend ‘durchschreiten’. Am frühen Morgen - bereits um 5°° Uhr - weckt uns das Rufen des Muezzin. Sein Ruf zum Gebet erklingt zusammen mit dem Schrei der Hyänen und dem Krähen der Hähne zu einem sonderbaren Morgengruß. Zeit zum Aufstehen! Uns erwartet schließlich ein 1½ stündiger Ritt auf dem Kamel in die Wüste! Vor-sorglich binden wir uns Turbane gegen den zu erwartenden Wüstenwind um. Doch wir haben Glück; es ist windstill. Der Aufstieg auf das Kamel ist etwas ungewohnt, aber im Paßschritt reiten wir gemütlich über die durch die ersten Sonnenstrahlen goldgelb erscheinenden Dünen. Jetzt ist uns klar, warum man das Kamel „Wüstenschiff“ nennt : wir schaukeln wie auf kleinen Wellen. Plötzlich erscheint die Sonne als ein roter Ball. Ich nehme mir vor, diesen Moment in mich einzusaugen, um die wunderschönen Eindrücke der Lichtspiele nicht zu vergessen. In diesem Augenblick empfinde ich die Wildnis als Stätte unbeschreiblicher Ruhe. Nach diesem beeindruckenden Morgenritt machen wir uns auf den Weg zur Salzwüste. Unterwegs sehen wir Bohrtürme, die sage und schreibe aus der Tiefe von 1500-2000m dieses Trockengebietes heißes Wasser pumpen. Das Wasser ist ca. 50°C warm und wird - nach dem Abkühlen im Auffangbecken - zur Bewässerung genutzt. Auf dem Weg zum C h o tt el J e r i d (die dritte der uns bekannten Wüstenformen) müssen wir noch mehrere Oasen durchqueren. Die Übergänge von der Sandwüste zur Salzwüste sind fließend, deshalb wird aus der gelben Farbe des Sandes nur langsam das Weiß des Salzes. Man denkt automatisch an eine dünne, weiße Schneeschicht. 150 Kilometer weit und 75 Kilometer breit ist diese Salzwüste. Wie Kristalle glitzert es in der Sonne. Aus Neugierde steigen wir aus unserem Gefährt und kosten das salzige Etwas: tatsächlich Salz, kein Eis! Unterhalb des Salzes befindet sich übrigens Sand; die Schicht darunter besteht aus Gips. Durch aufkommende Regenfälle wird der Gips aufgeschwemmt und verbindet sich kristallartig mit Sand und Salz. Wundersame Wüstenrosen und Kristalle entstehen, die auf unserem weiteren Weg nach Touzeur immer wieder feil geboten worden. Am Horizont erhebt sich das Gebirge Cherb, das offenbar versucht, der Wüste Einhalt zu gebieten. Und tatsächlich grenzt es den Chott durch seine Erhebungen ab. Mindestens 30 Kilometer trennen uns von dem Gebirge, obwohl es fast greifbar scheint. Kaum vorstellbar, aber selbst in dieser Einöde gibt es Stände mit Touristennepp; für die Tunesier ist dies allerdings oft die einzige Einnahmequelle; Touristen begegnen sie daher äußerst freundlich. Erst seit 15 Jahren gibt es übrigens diese befahrbare Möglichkeit - zu unserem Glück! Der Chott zieht sich weiter bis nach Algerien. Mitten in dieser lebens-feindlichen Wüste treffen wir auf die bereits erwähnte Oase Touzeur, die uns in Erstaunen versetzt: Palmen erstrecken sich weitläufig links und rechts von dem Oasendorf. Hier erscheint mir die Farbe Grün wahrhaftig wie die „Hoffnung“ selbst. Wo der Glaube noch lebt - Kairouan Überwältigt von den Gegensätzen der leblosen Salzwüste und der von Grün strotzenden Oase Touzeur treten wir den Heimweg an. Wo die Menschen so abhängig sind von den Launen der Natur, ist es wohl kein Wunder, daß hier der Glaube an Gott - Allah - noch praktiziert wird. Da ist es auch nicht erstaunlich, daß wir sogar einmal einen älteren Tunesier beobachten können, wie er seinen Gebetsteppich auf dem Feld ausbreitet. Auf dem Weg wieder zurück in den Norden fahren wir durch die Stadt Kairouan. Sie ist die 4. Heilige Stadt des Islam. Es gibt hier über 100 Moscheen: 92% der Bevölkerung sind Muslime, davon 46% aktiv gläubig. Wer die Moscheen von innen sehen möchte, sollte einen Besuch aber auf den Vormittag legen; nachmittags sind die Gotteshäuser für Touristen geschlossen. Kairouan hat eine gewaltige Stadtmauer, die die Altstadt umgibt. In diesem Teil der Stadt wird täglich Markt gehalten, den auch die Einheimischen besuchen und dem Treiben eine orientalische Note verleihen. Die großen Türme der Moscheen ragen ringsum hervor, so daß die Altstadt im Halbdunkel des Abendlichts märchenhaft erscheint. Wer aber mehr noch als Moscheen und Markt sehen will, kann eine Teppichknüpferei besichtigen, denn Kairouan ist das Zentrum dieses Kunsthandwerkes, das eine alte Tradition hat , daher werden die kairouanischen Teppiche außerordentlich geschätzt. Wer sich also entscheidet, Tunesien zu besuchen, sollte sich etwas Zeit nehmen und das Ausruhen am Swimming-Pool, am Strand oder an der Bar einmal unterbrechen, denn Tunesien bietet „mehr als Meer“!

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